
Empty Spaces – Something to believe in
02.05. – 09.05.2025, Gebäude 09
Das Ausstellungsprojekt von Empty Spaces e.V. eröffnete bereits zum vierten Mal neue Räume für junge Kunstschaffende. Indem temporäre Leerstände kreativ genutzt werden, entstehen immer wieder spannende Begegnungen zwischen Kunst und Raum. Diesmal verwandelte sich eine leerstehende Halle auf dem Areal Böhler in einen besonderen Ausstellungsort. Die gezeigten Arbeiten traten dabei in einen spannenden Dialog mit der Industriearchitektur und der Geschichte des Ortes. Die Künstler:innen machten sich diesen Raum zunutze, um aufzuzeigen, dass Kunst nicht nur betrachtet werden kann – sie wurde hier zu einem Werkzeug für Veränderung.
Mit Arbeiten von:
X Breidenbach, Cristiana Cott Negoescu, Keta Gavasheli, Gustavo Gomes, Andria Dolidze, Fabio Perino, Moritz Riesenbeck, Lia Sáile, Kai Werner Schmidt, Paul Valentin, Emil Walde
kuratiert von Mara Sporn
X Breidenbach


The Space between, 2025
Papier, Staub der Halle 09, Bienenwachs, Olivenöl, Knochenschwarz und Federn
Die Arbeit „The Space between (Wing Study)“ untersucht die Spannung zwischen Aufstieg und Zusammenbruch als ephemere Konstruktion aus vergänglichem Material.
Inspiriert von der Geschichte des Ikarus, versucht die Arbeit nicht den Flug nachzubilden, sondern seine Anatomie offenzulegen: den Impuls, die Zerbrechlichkeit, das unausweichliche Sinken, nachdem die Flughöhe nicht eingehalten wurde. Auch die Form erinnert an einen Flügel oder eine Tragfläche. Sie existiert in einem Schwebezustand am Rand des Zerfalls. Das Werk ist kein „Abbild des Fliegens“, sondern eine „Studie des Glaubens“ – eine fragile Theorie aus nachhaltigen Materialien und temporären Verbindungen. Die Materialien nehmen Bezug auf die mythologischen Quellen und bauen gleichzeitig eine Brücke zur Gegenwart.
Cristiana Cott Negoescu


Nominal Value, 2025
Installation set:
9 voting booths – tables and privacy walls - inspired by the ones in the latest Romanian election. Positioned in a 3 by 3 grid.
Dimensions: 80Lx80wcm, 180hcm (with approximation)
1 singled out table, no privacy walls
1 voting ballot
1 cotton candy machine
1 pile of sugar boxes
1 surveillance camera
Performer: Tini Aliman • Ari Behnke Llanos • Rabe Chatha • Bene Rox • Emma Rüther • Eunbi Oh • Gabriela Tudor
Diese performative Installation befasst sich mit dem komplexen gesellschaftspolitischen Thema der Täuschung der Wähler, des Vertrauens und der Ausbeutung des Glaubens während des Wahlkampfs. Sie setzt sich kritisch mit der Art und Weise auseinander, wie politische Parteien durch Versprechen von materiellen Belohnungen wie Zucker, Öl und anderen Ressourcen die Bürgerinnen und Bürger im Kampf um ihre Stimmen manipulieren - und dennoch werden die Wählerinnen und Wähler nach der Stimmabgabe durch nicht eingehaltene Versprechen enttäuscht, desillusioniert und betrogen.
Emil Walde


Involuntary Landmark, 2025
Die Arbeit Involuntary Landmark besteht aus alten Fenstern des Duisburger Hauptbahnhofes. Vom Ort entkoppelt werden die Scheiben in den Ausstellungsraum gehängt. Das Glas hat vielschichtige Bedeutungen: Die Transparenz für einen Blick hindurch, die Trennung von Innen- und Außen als Schutz und Grenze, die Reflexion des Lichts und auch die Reflexion des eigenen Bildes und schließlich ist es auch seine Zerbrechlichkeit. In der Installation stehen sie auch als Sinnbild einer sich verändernden Industrielandschaft in NRW.
Moritz Riesenbeck


used user (lean), 2025
Blasebälge (ca. 1800), 2 Positionen / 3-Wege Magnetventile und Steuerung, doppeltwirkende pneumatische Zylinder und Zubehör, CNC – Gravur
Zwei 200 Jahre alte Blasebalge, die jetzt in einer Halle eines ehemaligen Stahlbaugeländes platziert werden, die sich langsam heben und senken. Versehen mit einem pneumatischen Zylinder, wie sie heute standardmäßig verwendet werden, „atmen“ sie wieder ein und aus.
Dieses Werkzeuge aus der Vergangenheit standen einst für Fortschritt und Entwicklung in der Eisen- und Stahlherstellung und brachten effizientere Produktionsprozesse. Die Industrialisierung brachte Wirtschaftswachstum auf der einen Seite. Auf der anderen Seite führte es zu Umwelt-und Luftverschmutzung, unkontrolliertem Ressourcenverbrauch und zu gesellschaftlichen Umwälzungen, soziale Ungleichheiten, Urbanisierung und einer Ausbeutung der Arbeiter, die unter gefährlichen Bedingungen arbeiten mussten.
Francisco de Goya (1746-1828) gehörte in dieser Zeit zu den Künstlern, der in seinen Arbeiten und seinen Radierungen aufklärt, er negiert nicht die Welt der Gespenster, wie viele seiner Zeitgenossen. Er zeigt die Abgründe von Dummheit und Brutalität der religiösen und weltlichen Macht. Seine Darstellung von Hexen, die kleine Kinder quälen. Eines davon wird an Händen und Füssen festgehalten und als Blasebalg missbraucht. Die Radierung ist auf einem Blasebalg graviert und schemenhaft zu erkenne.
Fabio Perino


Lifetime Value, 2025
Holz, Brot, Schaum, Kunstharz, Blattgold, variable Maße
Vom römischen Dichter Juvenal (Decimus Iunius Iuvenalis, 59-130 n.Chr.) stammt der Ausspruch „panem et circenses“. Er charakterisierte, wie einfach das „Volk“ von politischen oder ökonomischen Machthabern zufrieden gestellt und manipuliert werden kann. Aus Brot in hölzernen Lettern ist das Verb „obey“ geschrieben und mittendrin ein übergewichtiges Mädchen in strahlendem Gold. Fabio Perino konfrontiert den Betrachter in seiner Arbeit mit der Frage, inwieweit und ob ein System juristisch, sozial oder philosophisch das Recht hat, ein Wesen zu definieren oder sogar zu manipulieren. Menschen neigen dazu, Autoritäten und Ideologien zu folgen, ohne zu reflektieren und manchmal darüber nachzudenken, was der eigenen Überzeugung entspricht, woran man glaubt und warum man es glaubt und in diesem Bewusstsein zu handeln.
Andria Dolidze


2 2 2 2, 2025
Collected banners, acrylic, oil, metal rings, 530 x 300 cm
2 2 2 2 besteht aus in Düsseldorf gesammelten Straßenbannern, die mit Acrylschichten vom Inhalt befreit wurden. Zu einem skulpturalen Arrangement gefaltet und gerollt, reflektiert das Werk sowohl das Innere als auch das Äußere des Ausstellungsraums, einer ehemaligen Metallfabrik.
Keta Gavasheli


Ohne Titel, 2025
Vinyl Buchstaben, Plexiglass, 2 m x 6,30 m
Das Fenster wird zu einem Blatt Papier, zu einem Bildschirm, zu einer Schwelle. Die Wortfragmente einer Aufführung, einer Erinnerung, einer Rückkehr schweben über diese Fläche, kaum sichtbar, wie Atem gegen das Glas gehaucht. Der Text will nicht gelesen werden. Hier zu verweilen bedeutet, sich damit einverstanden zu erklären, nicht ganz zu begreifen, und vielleicht ist es das, was dem Verständnis am nächsten kommt. Die Worte stammen aus den Schlusszeilen eines Performance-Textes, eine persönliche Reflexion über Erinnerung, Orientierungslosigkeit und die Unmöglichkeit einer vollständigen Rückkehr. Verstreute Buchstaben und Sätze verblassen wie halb erinnerte Gedanken. Das „O“ suggeriert sowohl einen offenen Mund als auch eine Leere. Wie in der konkreten Poesie liegt die Bedeutung hier nicht nur in den Worten, sondern auch in ihrem Rhythmus. Das Fenster hält sie wie eine zerbrechliche Membran zwischen Anwesenheit und Abwesenheit, zwischen Sehen und Nichtsehen.
Paul Valentin


Hendiadyoin, 2025
3D-Rendering, UV-Print on Blockout, Gaze, Aubinol
Video:
Mindfields, 2025
00:06:00 (Loop), 4K, 9:16, Sound
Die Arbeit besteht aus zwei Vorhängen und einem Monitor. Die Vorhänge kommen aus dem Barocktheater, sogenannte „Gassen“. In Theateraufführungen wurden bedruckte, beklebte oder bemalte Vorhänge verwendet, um eine perspektivische Illusion von Natur oder Architektur auf der Bühne zu erzeugen. In der Arbeit stellen die Vorhänge einen Teil eines restaurierten Säulenganges dar. Im Gegensatz zum Theater, wo die Zuschauer:innen auf ihren Plätzen fixiert sind, können hier die Besucher:innen in der Halle ihre Position variieren und die Illusion selbstständig herstellen oder auflösen.
In dem Bereich, in dem sich traditionell die Requisiten verbergen, steht ein Monitor. Darauf läuft ein Videoloop, zu sehen sind die Trümmer einer zerstörten Bunkeranlage, die bemalt sind mit den Symbolen eines Codes. Sie sprechen von einer Täuschung; einer bereits zerstört gebauten Kulisse, zu dem Zweck, einen Krieg zu rechtfertigen. Doch was wahr ist und was nur Fassade, wissen die Verfasser dieses Codes bald selbst nicht mehr. Manchen scheint es nur noch darum zu gehen, ein Stück der Wahrheit zu finden, das nicht brüchig ist. Die Szenen sind 3D-animiert (CGI).
Lia Sáile


(Re)tracing fragile futures, 2025
Videoinstallation, Loop, Stereo
Ein weißer überdimensionaler Farbfleck liegt wie eine vergessene Insel in der Industriehalle. Nahe und ferne Geschichten beschreiben buchstäblich den Boden, ertastend, bewegend, Linien durchziehen die Flächen und bilden Hybride aus Wort und Bild. Veilchen warten zitternd im Wind, Lichtpunkte versetzen die Fläche ins Wogen. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ziehen sich handschriftlich und zeichnerisch über die Inselfläche. Ein Prozess des Fragens und Erzählens entfaltet sich immer wieder neu. Die Rezipient:innen werden mit meditativen Bildern und Zeilen konfrontiert, die sie nach Ängsten und Sehnsüchten befragen.
Gustavo Gomes


Tintinnabulum, 2025
Performance, Dauer 30 min
Tintinnabulum ist eine Performance, die die porösen Grenzen zwischen Männlichkeit und Verletzlichkeit durch Bewegung, gesprochenes Wort und Klang erforscht. Inspiriert vom antiken römischen Amulett - einem erigierten Penis aus Bronze mit Glocken, der das Böse abwehren soll - greift Gomes dieses Symbol wieder auf, um die Weichheit in einer Welt zu hinterfragen, die männliche Härte fordert. Das Stück imaginiert eine Liebesgeschichte zwischen einem stoischen Soldaten und einem fremden Besucher und zeichnet ihre sich entwickelnde Verbindung durch Vertrauen, Spannung und Hingabe nach. Glocken, die an einem schwebenden Lautsprecher und dem Körper des Darstellers befestigt sind, schaffen eine Klanglandschaft aus Anziehung und Reibung, die den Raum in eine sensorische, sich verändernde Umgebung einhüllt. Tintinnabulum ist eine Mischung aus Erzählung, Geschichte und persönlicher Recherche in Deutschland, Frankreich, Armenien, Georgien und Brasilien und ist Teil von Gomes' fortlaufender Dokumentarfilmpraxis. Es verwandelt die Bühne in einen Raum, in dem Klang, Sinnlichkeit und die Politik der Männlichkeit aufeinandertreffen und zu einer Reflexion über Intimität, Verletzlichkeit und gesellschaftliche Erwartungen einladen. Im Kern ist das Projekt eine Studie über den körperlichen Ausdruck, bei dem das Weichsein, die Entblößung und die volle Präsenz zu einem Akt des Widerstands und der Hoffnung werden.
Kai Werner Schmidt


Halle 09, 2025
Installation, Diaprojektor, 40 Dias
Die Arbeit untersucht die Dialektik zwischen physischer Ausstellung und ihrer bildlichen Repräsentation. Kai Werner Schmidt nimmt seine Fotografien der Halle 09 und mit Hilfe von KI lässt er aus diesen Installationen und Skulpturen eine Ausstellung entstehen. Er lotet die Möglichkeiten und Grenzen zwischen menschlicher Kreativität und maschineller Bildregenerierung aus. Die KI ist dabei nicht nur noch ein Werkzeug, sondern ein kollaborativer Partner in einem kreativen, experimentellen Dialog. In einer rhythmischen Präsentation von 40 Motiven mittels Diaprojektor, verschmelzen analoge Tradition mit digitaler Innovation. Es stellt sich die Frage von Authentizität im digitalen Zeitalter, was ist Echt und was ist Deepfake. In „The Reconfigured Eye“, ein Standardwerk zu diesem Thema, bemerkte der Architekt und Medientheoretiker William John Mitchell 1992, dass die Digitalisierung zu einer „Entwirklichung der fotografischen Welt“ führe.